Rekonstruktion Edwardianischer Unterkleider: Das Hüftpolster
Ein wichtiger Teil historischer Mode ist die Unterkleidung. Sie sorgt nicht nur dafür, dass die teure Oberkleidung nicht direkt auf den Körper aufliegt und der Komfort erhöht wird, sondern auch dafür, dass die gewünschte Silhouette erzielt wird. Polsterungen um mehr Volumen zu kreieren, den Körper optimal zu formen und in Szene zu setzen sind also nichts Neues. In der Edwardianischen Zeit war die schmale Taille mit breiten Hüften besonders schick. Da ich mein Projekt des Schneeköniginnen-Kleides in diese Epoche gelegt habe, war der nächste Schritt ein passendes Hüftpolster zu erstellen gekommen.
Meine Wahl fiel auf ein Hüftpolster, dessen technische Zeichnung in einem 1904 eingereichten Patent zu sehen ist. Die Sternform hatte es mir dabei besonders angetan, denn zum einen passt das gut zu meinem Thema und zum anderen ist es eine ausgefallene Form, die ich bisher so noch nicht umgesetzt gesehen habe.
Mit Hilfe einer 3-Simulation in Clo3D habe ich den Schnitt aus dem Patent abgeleitet und an meine eigenen Körpermaße angepasst. Die drei daraus entstandene Schnittteile habe ich dann ausgedruckt und aus einem einfachen Baumwollstoff ausgeschnitten.
Dies war auch das erste Projekt, dass ich an meiner neuen alten Nähmaschine umsetzen konnte, nachdem ich sie wieder flott gemach habe. Die feinen Stiche dieser Maschine sind perfekt, für die stabilen Nähte, die ich zum festen Stopfen der Teile benötigte. Erst bei den ersten Anproben stellte ich fest, dass das Polster eigentlich viel zu voll gefüllt ist und meinen bereits natürlich breiten Hüften nicht zugutekommt. Also habe ich einiges der aus Baumwollwatte und Stoffresten bestehenden Füllung wieder herausgenommen.


Das Polster selbst besteht aus zwei Polsterteilen, dem zentralen Stern und einem äußeren Ring. Zwischen beiden Teilen entstehen dreieckige Öffnungen, die im Patent als für die Ventilation notwendig beschrieben werden. Hier solle man ein Netz verwenden. Ich kam auf die Idee, das Häkelthema des Outfits auch hier aufzugreifen und häkelte ein Netz, welches an ein Sternenmuster erinnert. Beim Häkeln orientierte ich mich am vorher erstellten Schnittteil, auch wenn dies leider nachher nicht ganz passte. Da es aber keine strukturelle Bedeutung hat, habe ich es trotzdem eingenäht und es ist nun ein kleiner Hingucker, falls man in die Situation kommt ein Blick auf das Hüftpolster zu werfen.
Außerdem sorgen farbliche Akzente für einen weiteren Hingucker. Das sonst weiße Polster wird durch ein petrolfarbenen Streifen am inneren Ring und drei gleichfarbigen Steppnähten an der äußersten Kante abgerundet. Diese Steppnähte waren ebenfalls im Patent vermerkt und ich wollte sie gerne umsetzen, doch dies gestaltete sich zunächst aufgrund der Überfüllung des Polsters unmöglich. Erst nachdem ich einiges an Füllung wieder herausgenommen hatte und die gröbste Nähnadel, die mir zur Verfügung stand, eingesetzt habe, konnte ich durch das immer noch dicke Material nähen.


Dummer Weise stellte ich dann fest, dass mir die Form nicht so richtig gefällt und der äußere Ring zu stark nach außen absteht. Also öffnete ich einige Nähte nochmal und kürzte den äußeren Ring, sodass er jetzt flach über die Hüfte ausläuft und kein ungewolltes Volumen erzeugt.
Ich musste lernen, dass, auch wenn das Auspolstern der Formen durchaus normal war, dies auch bewusst und an jeden Körper angepasst vorgenommen wurde. Meine Hüften brauchen nicht so viel Polsterung. Manchmal ist weniger anscheinend mehr, auch wenn es am Ende mehr sein soll.
Im folgenden Video zeige ich meinen wenig geradlinigen Prozess dieses Hüftpolster zu erstellen.
